Los Cedros

Ecuador entwickelt sich für uns zur absoluten Natur-Wundertüte.
Es zählt zu den Ländern mit der höchsten Biodiversität der Welt. Auf einer relativ kleinen Fläche finden sich Naturlandschaften wie der Amazonas, die Anden, subtropischer Regenwald und die Pazifikküste.

Ecuador ist außerdem das erste und einzige Land auf der Welt, in dem die Natur auf Verfassungsrang als Rechtssubjekt anerkannt ist. (seit 2008) Das heißt, sie hat ein Recht auf Existenz und Regeneration. Sie gilt nichts als Ware, sondern als Lebewesen und Menschen können in ihrem Namen vor Gericht ziehen.

Für unsere letzte Woche in diesem wundervollen Land haben wir uns etwas wirklich Besonderes aufgespart.
In einem Podcast hatte Fritzi Anfang des Jahres über die Estación Cientifica Los Cedros im Nebelwaldgebiet westlich von Quito gehört. Und war muy emocionado.

Los Cedros hat Geschichte geschrieben als erste “Person” die im Namen der Natur – in diesem Fall 4.800 Hektar Nebelwald, 85% davon Primärwald – gegen staatliche und wirtschaftliche Interessen (ein Kupferunternehmen) vor das Verfassungsgericht zog und 2021 überraschend Recht bekam. Dieses bahnbrechende Urteil war ein Meilenstein im internationalen Umweltrecht und das erste Mal, dass das Verfassungsgericht die 2008 festgeschriebenen Rechte der Natur direkt angewendet und durchgesetzt hat. Das Kupferunternehmen musste unverrichteter Dinge abziehen.

Alles beginnt 1988 mit dem Amerikaner Josef DeCoux, der zuerst ein 100 Hektar großes Platanenfeld in Los Cedros erwirbt und in einer einfachen Hütte tief im Nebelwald lebt. Dieses vergrößerte er schrittweise zusammen mit Partnern auf heutige 4.800 ha, 4.090 Hektar davon sind Primärregenwald.

Die Biodiversität in Los Cedros ist überwältigend: aktuell sind 358 Vogel- mehr als 200 Orchideen- (davon zahlreiche bedrohte oder endemische Arten) und etwa 400 Baumarten pro Hektar dokumentiert. In Europa gibt es gesamt (nicht pro ha) gerade einmal 100-150 Arten!
Immer wieder werden zudem zahlreiche neue Arten entdeckt, u.a. bei Fröschen und Orchideen. Umfangreiche mykologische Untersuchungen identifizierten außerdem hunderte bislang unbekannter Pilzarten.

Von Beginn an widmet sich Los Cedros der wissenschaftlichen Erforschung (deshalb sind ständig eine Vielzahl spezialisierter Forscher zu Gast) des Primärwalds und kämpft leidenschaftlich für dessen Erhaltung.

Leider zeichnet sich nach der letzten Wahl eine politische Wende in Ecuador ab und die Leute vor Ort sind besorgt, dass der Staat erneut in die Rechte der Menschen und der Natur eingreifen könnte. (es gab bereits Gerüchte einer Privatisierung der Schutzzonen)
Wenn Ihr das Projekt also unterstützen möchtet, tut das gerne unter diesem Link. Jeder Dollar zählt.

Los Cedros liegt zugegeben etwas abseits der Touristenroute und der Weg dorthin ist etwas abenteuerlich. Nach einer schnellen Taxifahrt von Mindo zur Bushaltestelle im Nirgendwo, “Gesprächen” mit örtlichen Senioren in seeehhr nuschligem Spanisch, einer wackeligen Busfahrt über ecuadorianische Hügel und einem Pick-Up-Transfer finden wir uns in einem Weiler namens Magdalena Alto wieder. Von dort startet das Abenteuer dann erst so richtig, denn es geht 800 Höhenmeter hinauf (gemeinsam mit den Eseln, die unsere Rucksäcke schleppen, so sorry buddys), erst durch Sekundär- dann Primärwald, über Stock und Stein (im Winter Matsch), zur Forschungsstation, die gleichzeitig auch Herberge für die Besucher ist. Sie liegt inmitten des Primärwalds auf einer Hügelkuppe und bietet atemberaubende Blicke in die umgebenden Nebelwälder.

Unserem leidenschaftlichen Guide Alex ist es zu verdanken, dass wir für den Aufstieg zur Station ungefähr dreimal so lang brauchen wie üblich (Farne, Moose und Orchideen sind einfach zu interessant) und das Mittagessen um 18:00 eingenommen wird. Gefolgt vom Abendessen um 20:00, nach dessen Verzehr wir sofort zu einem Spaziergang durch den nächtlichen Wald aufbrechen um den Glasfrosch aufzuspüren (und nicht zu finden).

Die folgenden Tage sind ganz der Erforschung des Walds gewidmet:

Tag 1
^ Wasserfallwalk mit Martín (er ist seit über 30 Jahren Naturführer für die Station) und Alex. Wir sind langsam, es gibt viel zu sehen.
^ nach Einbruch der totalen Finsternis: erneuter Nachtspaziergang zu den Fröschen, dieses Mal aber kürzer da ….
Tag 2
^ um 05:30 (begleitet von den morgendlichen Rufen der howler monkeys) zur Beobachtung des andean cock-of-the-rock, eines besonderen Vogels mit eigenwilligem Kopfschmuck. (Männchen only)
Es ist ein einzigartiger Moment im morgendlichen Nebelwald zu stehen und die etwas merkwürdigen Tänze und Gesänge der Tiere zu beobachten.
^ bis zum Lunch: herumlungern im paradiesischen Garten, abhängen in den hamacas
^ später auf dem River Trail entlang des Río Los Cedros zur Antigua Cascada
^ early good-night
Tag 3
^ um 07:00: Spaziergang zum traumhaften Pozo del Miel, einem Badeplatz direkt am Fluss.
^ danach: Frühstück, Packen, Abschied von den neu gewonnenen Freunden und Wanderung 800m bergab zum Transfer und Bus in Richtung Otavalo.

Der Nebelwald um Los Cedros ist ein absolutes Märchen, und schon jetzt ganz Oben auf unserer Liste der schönsten von uns besuchten Wälder.
Wir haben dort – bewaffnet mit Fernglas, Lupe und Taschenlampe – tagsüber und nachts derart viel Flora und Fauna gesehen, unbeschreiblich. Mikroskopische Orchideen, Spinnen jeglicher Größe, Farne in allen Größen und Formen, Moose die aussahen wie ein Wald im Wald, duftende Blumen, die eigenwilligsten Raupen und Tausendfüssler, bunte Vögel, winzige Frösche, Camouflage-Eidechsen, schimmernde Käfer, Motten an denen jeder Grafiker eine Riesenfreude hätte, magische Pilze und riesige Schmetterlinge.
 
Ein paradiesischer Kosmos mitten in unserer Welt, den es unbedingt zu bewahren gilt.
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