Cordillera Blanca

Von beinahe 0 ging‘s dann mit dem Bus in einem Schwung wieder hoch auf ca. 3.100m (und später auf über 5.000m), in die Cordillera Blanca. Sie ist die höchste tropische Gebirgskette der Welt mit der größten Konzentration an Gletschern in den Tropen. Etliche Gipfel enden hier erst weit über 6.000m, und über Allem thront der majästetische Huascarán, mit 6.768 m der höchste Berg Perus.
Unsere erste Base ist das geschäftige Huaraz (> 100.000 Bewohner), das am Fuss dieser Berge liegt. Die Skyline kann man sich also schon einigermassen überwältigend vorstellen.
Von hier macht man dann eintägige Ausflüge / Wanderungen zu atemberaubenden Lagunen (insgesamt gibt es in der Region mehr als 300 Stück), oder bis zu 10tägige Expeditionen in schnee- und eisbedeckte Welten.
Von Huaraz selbst sehen wir eher wenig, da wir ständig unterwegs sind: Laguna Willcacocha (3.600m), Laguna Churup (4.450m bzw. 4.600m) und Glaciar Pastoruri (5.010m, männliche Komplexkompensation), wo wir u.a. wie Zwerge vor einem riesigen Bromeliengewächs – der Puya Raimondii – stehen. Was uns sehr freut: nach der Trennung vor 9 Wochen schaffen wir ein kurzes Wiedersehen mit Will & Anna, die zufällig gerade zeitgleich in Huaraz sind.
Auch in Peru begegnen wir leider wieder einem omnipräsenten Problem: (Plastik-) Müll, große Haufen davon und überall – verbunden durch kleinere Haufen.
Und trotz des Nationalpark-Status sieht man den auch am Rande und innerhalb der Cordillera Blanca. Es schmerzt.
Die Verwaltung der Parks scheint dabei ziemlich chaotisch: denn sie ist offenbar keine Sache des Landes oder der Regionen, die dafür keine Ressourcen haben, sondern kleinerer Communities, was u.a. dazu führt, dass man mit mehreren Eintrittstickets wieder abreist. Qué raro.

Nach all den Körperertüchtigungen steht uns nun der Sinn nach etwas Geistigem. Mit Olguita Tours holpern wir uns durch ein enges Tal bis zum höchsten Punkt der Strecke – einem stockdunklen Tunnel auf 4.450 m – und dann auf der anderen Seite wieder hinunter, vorbei an nett erscheinenden kleinen Häuslein bis nach Chavín de Huantár. Angesicht der Abgeschiedenheit und fehlenden Standard-Gringo-Highlights haben wir ein eher weirdes Erlebnis erwartet; und werden überrascht. Chavín ist nett, mit einer schönen Plaza de Armas, gelegen in einem lieblichen Tal und gesegnet mit einer atemberaubenden archäologischen Stätte: des gleichnamigen Chavín de Huantar.
Direkt nach unserer Ankunft bewegen wir uns sofort in Richtung Museum, das Funde der Stätte zeigt, und sind dort schon total fasziniert von all den steinernen Figuren, Reliefs und Stelen. Besonders der Tello-Obelisk haut uns aus den Socken. (das lange, dünne Ding mit den Millionen an eingeritzten Figuren und Zeux)
Während unseres Abendspaziergangs finden wir das spirituelle Café Chavíns. So nett, dass wir dort am Abend eine lustige Kugel-Berg-Algen-Suppe einnehmen.

In unserer Story hatten wir die Geschichte und Funktion Chavín de Huantárs nur kurz angeschnitten. Hier noch ein paar facts mehr, für die Interessierten.
Chavín de Huantár war das zeremonielle Zentrum der Chavín-Kultur, das zwischen 1.200 und 500 v. Chr. in mehreren Abschnitten erbaut wurde. Jedes Detail im Tempel zielte darauf ab, das zeremonielle experience der Elite zu erhöhen und deren Einfluss zu stärken. Mit SanPedro und/oder Ayauasca in Stimmung gebracht sorgten unheimliche Muschelgesänge, gurgelnde Wasserströme, unterirdische dunkle Steinlabyrinthe (mit beängstigender Akustik, wir haben uns davon überzeugt) und plötzlich vor einem auftauchende 4,5m hohe Steinmonster, dessen „Gesicht“ dann auch noch geisterhaft mit kleinen Kohlespiegeln inszeniert wurde, für den gewünschten Effekt bei (noch) Nicht-Gläubigen: Staunen, Furcht, Macht für die Priester.

Wir wollen noch mehr sehen von den Dörfern der Cordilleras und colectivieren uns nach Yungay, einer kleinen Gemeinde nördlich von Huaraz. Eine gewagte Idee. Nicht auf Touristen eingestellt sagt der Reiseführer. Geringe Infrastruktur sagt der Reiseführer. Er behält recht, aber nur ein bisschen. Zumindest sind wir hier nun wirklich die einzigen Touristen: in mehreren Tagen sehen wir keinen weiteren Gringotraveller. Einen Tag verbringen wir weitestgehend in unserem sonderbar düsteren Hostel (daylight ist so yesterday) mit Orga für noch kommende Reiseziele (Überraschung). Bis zum Ende finden wir nicht heraus, wie es unser Zimmer schafft, alle im Bad entstehende Feuchtigkeit zu bündeln und in unsere Sachen zu transportieren. Den Tag danach starten wir erneut ein Abenteuer in die Cordillera Blanca und hiken uns durch eine unglaublich schöne Hochebene mit tollen Wasserfällen zur türkisblauen Laguna 69. Hinauf noch angenehm trocken begleitet uns beim Abstieg ein konstanter Nieselregen, der durch alle Wassersäulen kriecht. Unserem Zimmer hat‘s gefallen.
Die Gemeinde Yungay hat eine unbeschreiblich tragische und traurige Geschichte. Im Jahr 1970 wird der gesamte Ort nach einem schweren Erdbeben von einer riesigen Erd- und Schlammlawine begraben. 25.000 Menschen sterben. In einem Augenblick.
Die Gemeinde wird direkt neben der Unglücksstelle neu aufgebaut, direkt auf der begrabenen Siedlung entsteht ein Erinnerungsort, der das ehemalige Zentrum nachzeichnet, das Gelände aber in weiten Teilen der Natur überlässt.
Es ist ein sehr weirdes Gefühl auf dem Geisterduplikat und de facto Friedhof der alten Stadt herumzulaufen, von der einige Bruchstücke noch im Erdboden schwimmen.