Peru
Und dann stehen wir plötzlich in Peru. So oft hatten wir Dokumentation über dieses Land gesehen, Berichte gehört, uns dorthin geträumt. Für Fritzi war Peru seit Kindestagen ein Wunschziel. Es fühlt sich etwas positiv surreal an nun hier zu sein. Mal wieder war uns nicht bewusst, dass das Land derart riesig ist (drittgrößtes Land Südamerikas) und angesichts der Fülle an Landschaften, Kulturen und Sehenswürdigkeiten verlieren wir schnell den Plan, den wir niemals hatten.
Unser erster Halt knapp hinter der Grenze zu Bolivien ist die Stadt Puno an den Ufern des Titicaca-Sees. Wir bleiben also auf einer Höhe von knapp unter 3.800m. Erste Begegnung mit dem neuen Land wie oft: Geld. Neue Währung, neuer Wechselkurs, neue Geldbeschaffungsstrategien. Ein erster Streifzug und ein erster (kurzer) Downer: Essen so teuer? Hat Bolivien uns preislich derart verspoilt. Wir wollen schon wieder abreisen bis wir verstehen, dass wir auf der 5th Avenue Punos unterwegs sind und sich ein paar Straßen weiter alle Zahlen halbieren. Die Preise bleiben aber im Vergleich zu Bolivien mittelerhöht.
Wir bleiben nur kurz, entdecken in einem menú-Laden nahe der Uni neue Gerichte (und unser billigstes menú del dia in Peru für 6 Soles / 1,50€), stolpern in die Fiesta Alasitas (Story über Miniaturen hier), stürzen uns in eine grobe Planung für Cusco, werden davon erschlagen, und besichtigen noch die großartigen Chulpas in Sillustani, riesige Grabestürme der Colla-Zivilisation.
Weiter. Aber wohin als Erstes? Unsere (wahrscheinlich nicht gerade superinnovative) Strategie: zunächst nach Cusco und ins Heilige Tal, in der Hoffnung der Touristenwelle der Hauptsaison (Start: Juni) zuvor zu kommen, dann an die Pazifikküste und die Panamericana hinaufdüsen.
Gedachtgetan und den erstbesten Bus gebucht. Die Wahl fällt wohlklingend auf „Cruz del Sur“ – und sie wird eine gute sein. Nach den eher ruckligen Fahrten durch Bolivien mutet das hier wie ein Ganzkörperwellness im Kranzbach an: es gibt einen Gepäckservice, eine Sicherheitskontrolle, eine filmische Dokumentation der Reisenden, der Bus ist blitzsauber und hat (manchmal) einen TV-Screen. Für lange Strecken werden wir den Busen von CDS treu bleiben. Unser nächstes Ziel also das sagenumwobene Cusco, Zentrum des alten Inka-Reichs.
Ankunft in Cusco, morgens. Nachdem wir in unserer Unterkunft etwas außerhalb des Zentrums eingecheckt haben geht es ans Erkunden. Cusco, nach Machu Picchu der vermutlich touristischste Ort in Peru. Ein leicht künstliches Zentrum (alle hübsch aufgerüschten Kolonial-Häuser beherbergen nun Restaurants, Geschäfte und Hotels), mit dem eigentlichen Ort drumherum. Backpacker trifft Luxus-Reisenden trifft Studiosus-Weltentdecker trifft Influencer.
Entsprechend das Angebot: hunderte Tour-Agencies, Massagen, “100% Alpaka” Shit, Nippes, überteuerte Eintritte und Restaurants, die Leute hauen’s raus. Aber wie immer: wenn man nur ein paar Schritte raus geht, finden sich die netten Cafés (hatten wir unsere Kaffeesucht erwähnt?), es gibt gutes Essen auf den Märkten und wenn man noch ein Stückchen weiterläuft wird es fast einsam. Vor allem beeindruckt uns Coricancha, Inkastätte welche von den Spaniern 1532 „umgewandelt“ wurde in ein Kloster. Wie man das so macht als Conquistador.
Von Cusco aus unternehmen wir Ausflüge ins Valle Sur (Tipón und Pikillacta), und wandern zu den archäologischen Stätten von Sacsayhuamán, Tambomachay sowie Q’enco. Das Mittagessen am Straßenrand *Choclo con Queso* knockt Dominik allerdings kurzfristig aus – war es der Käse, oder doch das viele Hundestreicheln? – Wer weiß. Daher abends keine touristische Folklore-Show für uns. Stattdessen Bettruhe und am nächsten Tag etwas Museum und Kaffeetrinken. Und „Western Food“. Hilft.
Nach unserem Cusco-Aufenthalt vergnügen wir uns 1 Woche im Valle Sagrado (Details gibt’s via Link) bevor wir uns von dort aufmachen, Machu Picchu zu erreichen.
Valle Sagrado
Entonces en la escala de la tierra he subido / entre la atroz maraña de las selvas perdidas / hasta ti, Macchu Picchu.
Zurück aus Aguas Calientes (siehe unsere Story zu Machu Picchu, yes we did it!) und einer weiteren Nacht in Ollantaytambo cruisen wir über Cusco mit dem Nightbus ein ganzes Stück in Richtung Küste, nach Arequipa. Als wir aufwachen, ist das dominante Grün der Cusco-Region einer Palette aus staubigem Beige gewichen, das gut mit dem Blau des Himmels harmoniert. Auch Arequipa trägt das Attribut „Weiße Stadt“ (wie Sucre in Bolivien). Dieses Mal aber nicht aufgrund der weißen Fassaden sondern der eher hellen Hautfarbe seiner Bevölkerung, zumindest erzählt man das uns. Und sie ist ein einziger Stau. Und ein großes Hupkonzert, denn die Peruanos lieben es zu hupen: vor jeder Kreuzung, als Warnung „Hier-komme-ich-Aus-dem-Weg-Fußgänger“, als Angebot „Ich-bin-ein-Taxi-das-du-brauchst-extranjero“, oder einfach so. Arequipa besitzt noch sehr viele Gebäude aus der kolonialen Zeit und trägt seit 2000 den Status UNESCO-Weltkulturerbe. Die Postkarten der Stadt werden dominiert durch ihre beiden Wächter, den Vulkanen Chinchani und Misti (6.075 m und 5.822 m), und der abendliche Blick von den unzähligen Dachterrassen auf die gelb/orange/lila gefärbten Kolosse ist wirklich einzigartig.
Am letzten Abend besichtigen wir noch das Monasterio Santa Catalina, ein Kloster das im Jahr 1579 von Doña María de Guzmán gegründet wurde, mitten in die Stadt gepflanzt ist und nach diversen Erweiterungen inzwischen mehrere Stadtblocks umfasst, also mehr eine Zitadelle ist. Wir haben Glück, sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort und kommen zu dem besonderen Erlebnis, das Kloster bei Dunkelheit durchwandern zu können. Beleuchtet nur mit Kerzen und Feuern in den Öfen der ehemaligen Zellen der Schwestern verlieren sich das leuchtende Blau und Rot in der Düsternis. Eine einzigartige Erinnerung.
Bereits im Valle Sagrado hatten wir das Gefühl, dass in Peru einige neue Kapitel der Wanderratten geschrieben werden müssen. Ein Ausflug in die zweittiefste Schlucht der Erde – dem Cañon de Colca – war daher obligatorisch und somit ging es mit dem Bus 6 Stunden hinauf, atemberaubende Blicke inklusive.
Cañon de Colca
There was no longer any doubt; we were actually within the bowels of the earth.
Es folgt ein erster kleiner Exkurs zu den Myriaden an prä-Inka und präkolumbianischen Kulturen, deren Spuren überall in Peru zu finden sind. Diese Geschichte beginnt vor ca. 4.500 Jahren an der Nordküste Perus, genauer im Supe-Tal. Dort beginnen Siedler, wahrscheinlich von dem Wetterphänomen El Niño in das Wüstengebiet getrieben, die Stadt Caral anzulegen. Sie ist heute die älteste bekannte Stadtsiedlung des amerikanischen Kontinents. Leider ist das Wie-Hinkommen, Wo-Schlafen und Wie-Weiterkommen derart kompliziert, dass wir uns gegen einen Besuch entscheiden. Nägschdes Mal.
Jedenfalls entwickelt sich von dort ein unglaubliches Netz an Folgekulturen, u.a. Chavín, Paracas, Nasca, Moche um nur einige zu nennen, deren wirklich vollkommen abgefahrene Keramik- und Textilkunst und architektonische Hinterlassenschaften (Sípan, ChanChan, Hueca de la Luna, Chavín de Huantar, Kuelap) überall zu besichtigen sind. Dazu vielleicht später mehr. Die Inka waren so gesehen nur das Ende einer sehr langen Entwicklungsreise. Sie haben sehr viel Wissen früherer Kulturen übernommen, zusammengeführt, weiterentwickelt und sich so beispielsweise zu Meistern des Steinhandwerks entwickelt. Die Mauern in alten Inka-Festungen sind wirklich mind-blowing. Wie schafft man es, tonnenschwere polygone Steinblöcke so zu fügen, dass kein Blatt Papier dazwischen passt?
Das Essen. Ein Mythos. Es gibt wirklich sehr viele großartige und spannende Gerichte, ein kulinarischer Schatz, den es aber zu entdecken gilt. Denn den Großteil der Ernährung bildet Alltagskost: menu-del-dia-Zeug und Marktessen, chicharrónes, lomo saltado, milanesas, sopas, pescado frito etc. Und immer Reis und Pommes dazu, Kohlenhydrate satt. Alles solide, aber nichts Besonderes. Heraus sticht hier die bekannte Ceviche, die man in verschiedenen Qualitätsstufen bekommt – also auch als Vorspeise des menu-del-dia. Dazu kommen noch street-snacks: papa rellena, sanguches (Sandwiches), causas (wie eine Art kalter Auflauf aus Kartoffelbrei mit unterschiedlichen Füllungen, churros (kennt man ja), gelatina (ja, Wackelpudding). Und dann existieren da noch fast „vergessene“ landestypische und regionale Spezialitäten, die man in Restaurants erforschen muss, z.B. recoto relleno, eine Spezialität in Arequipa, eine mit Getreide-Fleisch-Rosinen gefüllte Paprikaschote, die mit Käse zugedeckt und anschließend noch in einer angekästen Sauce gebadet wird, und deren konstante Schärfe mich (Dominik) an den Rand meiner Capsaicin-Resilienz gebracht und mir einen unterhaltsamen Schluckauf beschert hat.
Unser nächster Halt: eine Nacht in Ica, mehr ein Zwischenstop als unbedingter Must-do Spot für uns. Die meisten Traveller steigen auch nicht in Ica ab, sondern in der nahegelegenen Oase Huacachina – Teil des Gringo-Trails. Nach einer Stipvisite in Icas Museum mit Keramiken und Textilien der Prä-Inca Zeit möchten wir natürlich sehen was es auf sich hat mit dieser Oase. Was wir finden: Disneyworld um einen kleinen Wasserteich herum (die Oase). Drumherum schöne Dünenlandschaft die sich über Kilometer erstreckt und im Sonnenuntergang wunderschöne Farbübergänge zwischen Himmel und Düne schafft. Leider aber zuviele nervige, laute und stinkende Sand-Buggys und entsprechende Touristen (Whooo-Girls auf Snowboards und Lads, die den Testosteron-Überschuss in PS rauslassen, not our style). Aber hey, ist natürlich geschützt die Düne… man fragt sich nur, wie?
Nächster Tag, nächster Ort. Auf nach Paracas am Meer. In unserer Vorstellung ein schöner Küstenort mit Sonne und Strand. Es ist Fritzis Geburtstag und den wollte sie genießen. Stattdessen „feuchter Dunst“, durch den kein Sonnenstrahl dringt. An diesem Teil der Küste das normale Winterwetter. Fazit: Grau, Sandmücken und fischiger Meergeruch. Aber hey, wir machen das Beste draus mit gutem Kaffee (erstaunlich lecker an diesem Ort) und gutem Abendessen. Eigentliche Ziele hier: Radtour auf der Halbinsel ( Reserva Nacional Paracas) sowie eine Bootstour zu den Islas Ballestas. Beides erfolgreich absolviert inklusive Sichtung von Humboldt-Pinguinen, vieler Vögel (zB Pelikane), 1 Lobo Marino und einigen Delfinen (wir konnten uns nicht erklären warum sie in dem Brack-Wasser am Hafen freiwillig schwimmen…).
Kleine Anekdote: als wir in Paracas vom Bus zum Hotel laufen folgt uns ein chinesischer Tourist. Schnell stellt sich heraus: er spricht kein Englisch oder Spanisch. Kommunikation über die Handy-App in vermutlich Mandarin. Wir verstehen: Er sucht die Bird-Island, scheint aber keinen wirklichen Plan zu haben. Nachdem wir vergeblich versucht haben mit ihm zu „sprechen“, eskortieren wir ihn zur Touri-Info (iPeru), in der Hoffnung dass sie ihm weiterhelfen. 2 Tage später: er sitzt mit uns im Boot zu den Islas. Allerdings scheint er auch nach der Tour noch die echte Bird Island zu suchen (sagt sein Handy). Unsere Vermutung: vielleicht hat er nichts von der Vogelgrippe 2023 gewusst die einen großen Teil der gefiederten Bewohner der Islas dahingerafft hat 😞.
Im Vergleich zum benachbarten Bolivien ist in Peru – zumindest auf unserer Route –
sehr viel weniger indigene Kultur sichtbar, v.a in den Küstenregionen. Es ist sehr viel touristischer (Gringo-Trail) und teurer (Essen abseits des menú del dia, souvenirs).
Bei den Frauen sehen wir sehr viele Hüte, mit unzähligen neuen Formen und ungeahnten Höhen, Jacken in leuchtenden Farben, Röcke. Aber wenige aufwendige Trachten. Die Männer wie immer langweilig.
Apropos Männer: die sitzen hier in Peru ohne ersichtlichen Grund stundenlang im Auto. Sie machen seltsame Geräusche. (globales Phänomen) Und sie verstehen das Reinigungsprinzip eines Pissoirs (Spülung) nicht. Kurzer Einblick eines Mitmannes.

Für uns geht es nach der Bootsfahrt in Paracas weiter nach Lima. Hauptstadt Perus, in Teilen sehr reiche Stadt, kulinarischer Reichtum eingeschlossen (alleine 4 Restaurants sind unter den 50 Best Restaurants 2025 weltweit, inkl. dem Maido auf Platz 1!). Der Rest des Landes sah und sieht (?) sich allzu häufig nicht gesehen und Politik wurde häufig nur für die Hauptstadt-Bewohner gemacht. Da ist Konfliktpotenzial natürlich vorprogrammiert. Daher haben wir uns brav in Miraflores niedergelassen. Da isses schön und sicher. Man ist gleich am Meer. Es gibt Fahradfahrer. Vieles katapultiert uns gedanklich etwas raus, weg aus Peru, es ähnelt irgendwie zu sehr dem Daheim. So sehr wir fancy Kaffee, gutes Ceviche und interessante Museen schätzen, so merken wir nach ein paar Tagen doch dass es Zeit wird weiterzuziehen.
Vorher besichtigen wir aber natürlich noch Miraflores (das Museum „Place of Memory, Tolerance and Social Inclusion (LUM)“ über die 1980er bis 2000er Jahre mit dem Sendero Luminoso sticht raus) , Barranco (etwas mehr artsy als Miraflores, viele Expats) und das Centro Historico welches mit seinen aufgerüschten Kolonialbauten, Plätzen und Kirchen überrascht (überraschenderweise kam sogar mal kurz die Sonne raus, denn normalerweise ist es grau mit feuchtem Dunst. Winter. Es regnet zwar nie, aber das Wetter hat schon etwas leicht deprimierendes). Um so mehr gönnen wir uns: Thai-Massage an Dominik’s Geburtstag, asiatische Bowls sowie Kino: Mission Impossible. Luxus. So kann es nicht weitergehen, also auf zu neuen Abenteuern. Back on the road.
Cordillera Blanca
Ich ging hinaus in die weiße Stille, und alles war wie in einen sanften Traum gehüllt.
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El Norte
I suddenly felt as if someone were watching me … After a 1,700-year slumber I had awakened it and it was staring back at me, eye to eye.
Archäologie macht müde. Wir können nicht mehr. Auf die Ruinen von Túcume verzichten wir schweren Herzens. Wir brauchen Urlaub, Sonne, Strand.
2 Tage später. Die Füße im feinen Sand von Máncora spähen wir auf das Meer, beobachten langsam vorbeiziehende Pelikane. Wir sind froh den Fängen der Grabräuber und Gottheiten entkommen zu sein. Und freuen uns tatsächlich, auch mal wieder ein paar Traveller zu sehen. Seltsam, es sind immer entweder zu wenige oder zu viele von Ihnen. Aus unserem Garten dringen unbekannte Geräusche tierischen Ursprungs in unsere Hütte. Sie sollen uns auf die Abenteuer der kommenden Wochen vorbereiten.