Chile
Nachdem wir Hals über Kopf auf vier Rädern aus Argentinien geflüchtet waren fanden wir uns – nach gründlicher Grenzkontrolle durch Kommissar Rex – plötzlich in Puerto Natales wieder, einer kleinen Stadt im Südlichen chilenischen Patagonien.
Chile war uns bei der gedanklichen Vorbereitung etwas hinten runtergefallen. Keine böse Absicht. Aber wir hatten schnell das Gefühl, dass uns hier Unbeschreibliches erwartet.
Es war und ist zwar noch immer eines der teuersten Reiseländer auf dem Kontinent, nach dem kapitalistischen Schock aus Argentinien war den Preisen hier aber jeglicher Schrecken abhanden gekommen. Alles fühlte sich plötzlich beinahe GÜNSTIG an.
Auch Chile ist ein Land der Extreme. Mit 4.200 km NordSüd-Längenausdehnung ist es das längste Land der Erde und erstreckt sich von der ewigkalten Antarktis, dem einsamen Tierra del Fuego, über das wilde Patagonien, die waldigen Seenlandschaften, die schlafenden Vulkane bis hin zum trockensten Fleck des Planeten, der Atacama-Wüste.
Von den insgesamt 19,1 Millionen Einwohnern tummeln sich 6,86 Millionen alleine im Ballungsraum Santiago.
Es ist das Geburtsland zweier Literaturnobelpreisträger*innen, Pablo Neruda und Lucila Godoy Alcayaga, aka Gabriela Mistral. Das Zuhause der indigenen Volksgruppe der Mapuche. Und es war Schauplatz für eines der dunkelsten Kapitel in der jüngeren Geschichte der Demokratie: dem coup d’etat 1973 und der im Anschluß 17 Jahre andauernden Militärdiktatur unter Pinochet.
In Kurzform.
Was unser Lieblingsthema – das Essen – betrifft: wir trafen alte Freunde wieder. Hamburguesa, Empanada, billigbuntzuckrige Flüssigkeiten. Fleisch, Zucker, Fett. Alle beieinander. Dass die meisten Chilenen nicht gerade durch Drahtigkeit auffallen überrascht nicht (sorry Chileños*as)
Aber auch alle Versuche mit kreativer Power aus dem starren, argentinischen Kulinarikkorsett auszubrechen konnten uns nur mittel begeistern. Oft waren dies nur Abwandlungen eines Burgers (mit neuen, lustigen Namen) oder Aufhäufungen von ungesunden, aber leider geilen Zutaten, wie z.B. die Chorillana, ein Berg Pommes großzügig garniert mit Fleischstreifen (alternativ zusätzlich mit Würschdln) und Spiegelei(ern). Wir blieben oft hartnäckig bei der Selbstversorgung.
Unser erster Halt: Puerto Natales / Patagonien.
Recordar un buen momento es sentirse feliz de nuevo.
Mit unserer spektakulären Entdeckung (BTW, noch in Argentinien, hier zur Geschichte) war irgendwie die Verantwortung entstanden, das verliehene Wahlrecht auch wahrzunehmen. Das ging nur an einem Ort. In der Deutschen Botschaft Santiago de Chile. Das zweite Ziel war also klar, und wir mussten so schnell wie möglich dort hin.
I'm not a dictator. It's just that i have a grumpy face.
Mit unserer Luftfahrt hatten wir zwangsläufig ein paar Kilometerchen zwischen Puerto Natales und Santiago übersprungen, darunter auch weite Teile der chilenischen Seenlandschaft. Hmm…Spätestens als dann Will/Anna (Hostelbekanntschaft in Puerto Natales) von Pucón und den dortigen Nationalparks schwärmten war das fomo in uns geweckt und wir mittendrin in den Erkundigungen. Sagen wir mal vorsichtig: die Entscheidung, nochmals “zurück” und entgegen der “Reiserichtung” nach Süden zu fahren, war nicht sofort gefällt. 😀
Quién no conoce el bosque chileno, no conoce este planeta. De aquellas tierras, de aquel barro, de aquel silencio, he salido yo a andar, a cantar por el mundo.
Irgendwie fühlten wir uns dann aber doch etwas zu sehr wie im heimischen Chiemgau. Daher ging es weiter – wieder mit dem Nightbus, jedoch in der etwas holzigeren Variante. Dazu hatte ein Stromausfall zwischenzeitlich das komplette Land lahmgelegt, weshalb die Regierung in Regionen mit Konfliktpotenzial (Städte) Ausgangssperren ausgerufen hat. Wir waren *thankgod* safe in unserem kleinengroßen Reisebus.
Ziel: Valparaíso. Kennt man nicht. Nur History-Freaks könnten hier eventuell mit dem Finger schnippen: hier ist 1973 das abtrünnige Militär mit einem sogenannten Sr. Pinochet angelandet; bevor es nach Santiago weiterzog um die ‘Moneda’ (Sitz der Regierung) zu bombardieren. Der Rest ist Geschichte.
Valparaíso liegt am Pazifik und der Häuserteppich ist über insgesamt 42 steile (!!) Hügel ausgelegt. Dummerweise werden seine 8+ km Küste aber von Hafen, Strasse und Metro belegt. Also kein Meerzugang. Doof.
Da das mit dem Städtebau nicht so geklappt hat, wurde in 2/3 barrios der alte Streetart-Masterplan aus der Schublade geholt, um sich’s etwas schön zu machen und vielleicht um nur Irgendetwas, für Touristen (eher wenige) Interessantes zu generieren. Wer weiß. Nett für ein halbtägiges Chillout-Programm. Die direkte Nachbarin Viña del Mar, mit der ‘Valpo’ über die Zeit verwachsen ist, kann dagegen mit einem 6 km langen, frei zugänglichen Strand auftrumpfen. Und mit einer riesenhaften Düne. Und mit einem angrenzenden Riesensupermarkt. Mit Bier ausgestattet war das ein besonderer Spaß.
Wir folgen der Trockenheit in den klaren, staubigen Norden. More to come…
In Valparaiso steigen wir morgens in den Bus nach La Serena, irgendwie brauchen wir eine Pause vom Nachtbus. Wir tingeln also zunächst durch Valpo/Viña del Mar, dann durch viel Nichts (mit allerdings spektakulären Kakteen) und nach wiederum einigem Getingel durch Coquimbo und La Serena kommen wir an.
Unser Hostel vor Ort erscheint uns absoluter Luxus. Wir haben das Familienzimmer, sprich mega viel Platz. Auch ansonsten ein gemütlicher Ort. Man spürt den deutschen Einfluss der Hostel-Besitzer. Instruktionen zum richtigen Lüften nach dem Duschen, ein gutes Frühstück und ein Ampelsystem für die Schlüssel (1. Tür = roter Schlüssel, 2. Tür = gelb… you get the concept). Und – wir sind glücklich – es gibt Bücher zum Tauschen! Unsere Bibliothek wird also erweitert bzw getauscht (sorry Stanislaw Lem, dein Best Of muss zurückbleiben, es war nicht die richtige Lektüre…).
La Serena ist eine sehr nette Stadt mit endlos langem Strand *wenn man 1 km vom Zentrum läuft*, einer netten Plaza de Armas (wie eigentlich in jedem Ort der Hauptplatz heißt) und einem recht guten archäologischen Museum. Und wir probieren zum ersten Mal das Menú del Día, bei Daniela II. Inklusive Cazuela, einem chilenischen Eintopf. Wir freuen uns wie „Schnitzel aka Milanesa“, mal was anderes zu essen. Unser Hauptgrund nach La Serena zu fahren waren allerdings die Humboldt-Pinguine! Mehr dazu hier:
Nach einigen entspannten Tagen ging es von La Serena weiter ins VALLE DEL ELQUI zum Relaxen und vor Allem zum Sterneschauen.
Das Universum ist ewig, die Zeit ist relativ, und der Mensch ist nur ein flüchtiger Gedanke.
Nach einer etwas holprigen Nacht (dank der französischen Kids die vermutlich zu tief in den Pisco Sour geschaut hatten), geht’s nach dem Frühstück los: auf dem Programm heute Bus-Staffellauf.
Erste Etappe: Vicuña nach La Serena mit dem Minibus. Läuft wie geschmiert. Als nächstes mit dem „großen“ Bus nach Copiapo. Auch das läuft nach Plan.
Dann kleine Challenge: Wechsel des Busterminals. Dank Offlinekarte und hervorragender Vorbereitung (Busrecherche für Fortgeschrittene) ein Klacks. Schon als wir um die Ecke biegen mit unserem Gepäck winkt uns der Busfahrer zu: letzte Etappe nach Caldera, Abfahrt in 5 Minuten. Insgesamt waren wir fast 10 Stunden unterwegs, puh. Sind aber auch etwas stolz dass alles so super funktioniert hat (und wir im Vergleich zum Direktbus die Hälfte gespart haben).
Die Unterkunft für die nächsten Tage ist ein Airbnb. Nur 2 Zimmer. Nette und ruhige Nachbarn. Und eine Waschmaschine. Wohoo. Die Freuden des Travellers!
Caldera ist nicht gerade ein Traveller-Hotspot. Für uns ein Ort zum Entspannen und auch Sortieren, a la „What’s next“? Wir haben eine gute Zeit: Spaziergang zur Bahía Inglesa zum Sonnenbaden (und ja, ein wenig Sonnenbrand…), mit den Rädern (mit einem Gang) zum Parque Paleontológico Los Dedos. Obwohl es wirklich nicht gerade heiß ist brennt die Sonne unerbittlich auf uns nieder. Wir schmieren uns gefühlt alle 5 Meter mit Sonnencreme ein. Aber die Führung durch Los Dedos entschädigt uns, wor erfahren einiges über den Megalodòn und anderes urzeitliches Getier. Und kriegen heimlich 2 Zähnchen geschenkt von unserer Guide. Nichtsdestotrotz kürzen wir unsere Fahrradtour durch die UV-Hölle etwas ab und skippen weitere Erkundungen. Back to Caldera, wo wir den Tag mit Speciality Coffee (unser Laster, läuft unter „Sondervermögen“) und pescado frito ausklingen lassen.
Am nächsten Tag holt uns Flo mit seinem Auto ab, wir hatten uns in Pisco kennengelernt.
Wir fahren von Caldera bis kurz vor Chañaral, wo wir die nächsten zwei Tage in einer Cabaña verbringen. Das Ziel ist der Nationalpark Pan de Azucar, von dem wir viel gehört hatten, den wir aber ohne Auto nicht *bzw nur sehr schwer* hätten besichtigen können.
Nach einer frühen Nachtruhe geht’s also am nächsten Morgen los, durch den schrägen Ort Chañaral (sind ganz froh dass wir nicht dort nächtigen) über teils holprige Straßen.
Unser erster Stopp ist in der Quebrada (eine Schlucht), in die man hineinwandern kann. Außer Kakteen ist nicht viel zu sehen, aber es ist genau deswegen spektakulär. Wir wundern uns allerdings warum so einige dieser Gewächse wie verbrannt aussehen… (Spoiler, die Auflösung erhalten wir später).
Nachdem im Informationszentrum niemand da ist um uns abzukassieren fahren wir weiter zum Mirador. Circa 1 Stunde laufen wir immer leicht bergauf durch die mittlerweile mal wieder recht brennende Sonne. Am Mirador angekommen erwartet uns zwar nicht wie versprochen der Zorro Loco. Dafür aber ein Ranger des Nationalparks.
Er erklärt uns dann auch was es mit den schwarzen Kakteen auf sich hat, Auto-Photo… (leider erinnern wir uns nicht an den exakten Namen, vielleicht findet es ja jemand raus). Es ist wohl ein natürlicher Prozess, was uns dann doch beruhigt. Und, Fun Fact: der Ranger lässt uns seinen Namen raten. Er heißt nach einem Roman von Goethe. Und nein, Faust ist es nicht. Wir stehen auf dem Schlauch… es stellt sich heraus, dass er Werther heißt! Nachdem wir ihm Plenzdorf’s Werther als Lektüre empfohlen haben (seinen Goethe hat der Werther nämlich gelesen), machen wir uns auf den Rückweg.