Bolivia
Unser Grenzübertritt nach Bolivien war im wahrsten Sinne ein holpriger. Start in San Pedro um 3:30 Uhr (NICHT unsere Uhrzeit!), danach 10 Stunden ruckelige Höllenfahrt durch das chilenische und bolivianische Altiplano, garniert mit diversen Stopps, Grenzen und Sicherheitseinweisungen durch einen chilenischen Beamten, um darüber unterrichtet zu werden, dass das gewählte Busunternehmen ein Verfahren aufgrund mangelnder Sicherheitsvorkehrungen am Hals hat und man jetzt (an der Grenze, im altiplanischen Nirgendwo!) noch aussteigen könne. Ham wir nich jemacht.
Unser Ziel in Bolivien: Uyuni. Ciudad del sal. Unsere Ankunft: eher nüchtern. Eine staubige, durch rechtwenklige Strassen durchschnittene Ebene. Niedrige, halbfertige Bauten unter einem grellen, stahlblauen Himmel.
Einziger Grund unserer Anwesenheit ist die freudige Reunion mit Will & Anna, einer Freundschaft aus Patagonien, mit denen wir uns für die obligatorische Tour zum Salar (Salzsee) und durch das bolivianische Altiplano verabredet haben.
Der Recherche- und Entscheidungsprozess im 4er-Team gestaltet sich erstaunlich kurz (bei den Beers solo artet das regelmässig aus, wir sind sooo schlechte Entscheider): die Wahl fällt auf eine 4D/3N-Variante, mit etwas ungewöhnlichem Verlauf von Uyuni nach Tupiza, privat mit eigenem Guide Elvis und unserer herzigen Köchin Augustina. Klingt luxuriös, und war es auch. Und jeden einzelnen Dollar wert.
Altiplano
El Altiplano es un espejo donde el cielo se mira a sí mismo.
Nach vier unvergesslichen Tagen: Ankunft in Tupiza, einer schönen, kleinen Stadt, gemächlich temporiert, in atemberaubender Landschaft. Unsere erste Handlung nach der zehrenden Altiplano-Tour: Einchecken (angesichts des Platzangebots im Zimmer sind wir völlig aus dem Häuschen) und Duschen (nochmals aus dem Häuschen und wirklich nötig).
Im Vergleich zu Chile erscheinen uns die ersten menschlichen Siedlungen in Bolivien sauberer und aufgeräumter, ein Eindruck den wir später öfters revidieren müssen, u.a. weil sich bei einigen Bolivianos die Angewohnheit erhalten hat, während der Busfahrt alles Überflüssige aus dem Fenster zu werfen (früher Maisblatt, heute Plastique, it makes a difference!). Ob ein Empfinden für diese Verschmutzung existiert, blieb uns ein Rätsel, auch wie dieses Verhalten mit dem Glauben an Pachamama harmoniert.
Noch ein Mysterium (anfangs gewöhnungsbedürftig, mit der Zeit normal): die Beschaffung von Bargeld. Auch Bolivien hat inzwischen einen ‘Dolar Blue’ – eine inoffizielle Wechselrate. Kartenzahlung und ATM: blöde Idee, weil unglaublich schlechter Wechselkurs. Die bessere Variante: Euro oder Dollar in Bar umtauschen oder – unsere Strategie – sich selbst via Paypal/Xoom Geld senden und in bolivianischer Bank abholen (bewaffnet mit Passkopien und allerhand Infos). Stimmungsmässig ein bisschen wie beim Zahnarzt, dafür gab’s aber fast doppelt so viele Bolivianos.
Der Gang zum mercado central in Tupiza offenbarte eine Neuerung im Reisealltag, die uns die nächsten Wochen sehr versüssen wird: die Küche in Bolivien ist diverser, komplexer, streetfoodiger und sooooo viel günstiger als in Chile oder Argentinien. Wir können kaum an uns halten und verbringen Stunden mit wahl- und masslosem Essen.
Da unsere Reisegruppe Beers & Will & Anna derart gut harmoniert, beschliessen wir weiter gemeinsam durch das Land zu ziehen und wählen Sucre – Die weisse Stadt – als unser nächstes Ziel.
Sucre
Der Flaneur ist der heimliche Herr der Stadt. Die Straßen sind seine Wohnungsmöbel, die Cafés seine Wohnzimmer, die Boulevards die Gänge.
Nach beinahe einer Woche im gemeinsamen Apartment war es dann Zeit Lebwohl zu sagen: goodbye Will & Anna! (wir sehen uns in Peru!) Für uns ging es weiter nach Samaipata, seines Zeichens Eintrittstor zum Amboró-Nationalpark.
Unser Bus ‘El Capitan’ erschien uns erstaunlich sicher, nur die Tonnen an eingeladenen Zwiebel-, Karotten- und Kartoffelsäcken sowie allerhand anderem Zeux veranlassen uns das erste Mal dazu, den Rucksack mit nach Oben zu nehmen. Ankunft nach kurvenreicher Strecke um 01:00 Uhr im Nieselregen.
Amboró
El verde no es un color, es una forma de respirar.
Ohnehin schon recht weit im Osten entscheiden wir, die Cordilleras kurzzeitig zu verlassen und der subtropischen Ebene einen Besuch abzustatten.
Die intensiv-grüne Berglandschaft Amborós endet nach einer Stunde Fahrt abrupt um sich in eine endlose Ebene zu öffnen. Unser Ziel: Santa Cruz de la Sierra.
Es ist tropisch-heiß und feucht hier, ungewohnt, und etwas chaotisch. Viel Interessantes gibt es nicht, wir fröhnen unseren Lastern: Marktessen, Kaffee und Museen. Und kommen in Kontakt mit der in Bolivien eifrig ausgelebten Demonstrationskultur. Einzig die in diesem Teil Boliviens ansässigen Mennoniten irritieren leicht.
Am Busterminal in Santa Cruz (Nightbus again, yuhu) empfängt uns ein undurchdringliches Knäuel an Menschen. Familien, Kinder, Senioren, Tiere. Die Lawine überrollt uns. Was durchleben wir hier? Wir sind vollkommen ahnungslos, bis es uns erleuchtet: es ist der Tag vor Semana Santa, der absolut ungeschickteste Tag für eine Busfahrt. Alles ist auf den Beinen, auf dem Weg zu Familie und Freunden. Wir bewahren die Ruhe und steigen erst einmal in den falschen Bus (muchas gracias an den aufmerksamen Mitfahrenden, wir wären beinahe wieder nach Argentinien gefahren), dann in den Richtigen, und los geht’s.
Lustige 10 Stunden bumpy road später erreichen wir den nächsten Stopp der Odyssee – Cochabamba – und checken dort gleich in unser Luxusresort ein. Unser günstiges BnB entpuppt sich als 5*-Hotelzimmer, mit riesiger Wellnessdusche. Wir sind erfreut (ab und an a bissele Luxus muss sein.)
Es ist Ostern. Als gläubige Christen durchschreiten wir den längsten (oder höchsten >> 1300 Stufen, wir wissen es nicht mehr) Kreuzweg der Welt, der just an diesem Tag eröffnet wurde, besuchen Jesus, in Form der weltweit drittgössten Statue (noch um einiges höher als das Ding in Rio) und nehmen an einer Prozession teil. So geht das.
Ansonsten verbringen wir einige lazy days in der aufgeräumten Stadt mit Organizing, Kino (schlecht und unterhaltsam) und Spazieren, und schaffen es endlich uns um überfällige Backups für Telefon und Kamera zu kümmern. well done!
Am letzten Tag treffen wir dann noch alte Bekannte aus unserer Amboró-Zeit: Brayden und Akala (wieder Ausis, wir scheinen ein Faible zu haben), mit denen wir uns in den nächsten Nationalpark aufmachen: ToroToro.
ToroToro
God placed that rock there for a reason, and I'm not sure you should be moving it...
Nach den Abenteuern in Torotoro (mal wieder ein Abschied von unseren „Aussies“), geht es für uns in die große Stadt: Next Stop La Paz. nachdem uns erzählt wurde dass aufgrund von Erdrutschen die Fahrt statt 8 nun 16 Stunden dauern wird entscheiden wir uns spontan für einen Flug von Cochabamba aus. Da Dominik morgens kränkelt erweist sich dies als gute Entscheidung. Es ist trotz des Fluges ein langer Reisetag. Im Airbnb angekommen lassen wir es erstmal ruhig angehen,. Gut, dass wir uns im sicheren Viertel Sopocachi einquartiert haben. Hier gibt’s Botschaften, fancy Restaurants und es findet sich gefühlt eher die Mittelschicht auf den Straßen.
Der Blick aus unserer Unterkunft im 9. Stock ist spektakulär und nach 1 Ruhetag geht es dann auch ans Erkunden der restlichen Stadt. La Paz liegt im Schnitt auf 3600m, ist riesig und der Verkehr totally crazy. Es hupt, es stinkt (wir erwähnten die Abgase?!), als Fußgänger ist man gänzlich unten in der Mobilitäts-Rangliste. Außerdem nicht zu vergessen, dass es ständig hoch und runter geht. Trotz unserer recht ordentlichen Akklimatisierung merkt man das bei jeder Steigung (wobei wir uns einbilden, dass es jeden Tag besser ging). Trotz dieser erschwerten Bedingungen erlaufen wir uns große Teile, der Stadt: wir machen eine Walking Tour, besuchen Museen, Märkte, Miradore, wir bestaunen die Touristen in ihrem Touri-Viertel (in dem man zwischen 3000 Touranbietern, dem Witches Market und 1000 Fake Patagonia Jacken ganz erschlagen wird).
Wenn wir keine Lust mehr haben zu laufen, bewegen wir uns einfach mit dem hervorragenden Teleferico-System durch die Stadt. In La Paz macht das einfach so viel Sinn (in München dagegen…).
Es ist günstig, es gibt keine Abgase, es ist sicher, und letztendlich hat man ständig unglaubliche Blicke über die Stadt. In den letzten Jahren wurden einige neue Linien gebaut, so dass viele Viertel nun super erreichbar sind inkl. El Alto oder den „Vororten“ die tiefer liegen.
Nach ein paar Tagen Stadt reicht es uns dann aber langsam, wir wollen raus: kurzerhand buchen wir einen Day-Trip nach Tiwanaku, zu den größten Pre-Inka Ruinen Boliviens. Die ersten Gebäude entstanden schon ca 1000 v.C. und das Tiwanaku-Imperium (am Titicacasee) wuchs stetig an mit bis zu 600.000 Einwohnern in seiner Hochzeit. Erst zwischen 1000 bis 1200 n.C. verschwand bzw löste sich das Reich auf. Höchstwahrscheinlich wegen der Klimaveränderung, der Titicacasee zog sich zurück und ist heute mehr als 20 km von Tiwanaku entfernt. Neben einigen beeindruckenden Monolithen, dem Sonnen- und dem Mondtor, gibt es außerdem die H-Blocks zu bewundern (ob dies die Namensgebung eben jener Band der 90er beeinflusst hat?). Und es gibt magnetische Steine! Jeder Kompass dreht durch. Magie! Wir sind geflasht ob der großartigen Errungenschaften.

Nächster Stopp wird die Isla del Sol im Titicacasee: irgendwie mystisch, ein Ort der schon lange Zeit auf Fritzi’s Wunschliste war, einfach nur aufgrund des Namens, ich hatte keine Ahnung wo und wie hoch!! Der See ist immerhin das höchste beschiffbahre Gewässer der Erde, wir befinden uns auf 3800m!
Titicaca
Die Sonne ist die Vergangenheit, der Mond ist die Gegenwart.
Bolivia, we’re in love! Wir werden dich als atemberaubend schönes und freundliches Land in Erinnerung behalten, unglaublich reich an gelebter, in die Öffentlichkeit getragener indigener Kultur, mit all Ihren Farben, Formen, Wesen, spirituellen Geistern und Göttern, dass es einen oft überfordert. Wir haben Leute, Landschaft und die Leckereien liebgewonnen. Sehr! Eine unbedingte Empfehlung.
Doch nun geht’s für uns auf ins nächste Abenteuer: Peru! Lange von geträumt, endlich ist es soweit – wir sind voller Vorfreude!